Future for Democracy? – Democracy for Future

13. Netzwerktreffen in Korbach

Unter diesem Titel fand das 13. Netzwerktreffen des Netzwerks für Toleranz Waldeck-Frankenberg am 28. November im Kreishaus Korbach statt. Rund 80 Menschen besuchten die Veranstaltung. Hannelore Behle, ehrenamtliche Kreisbeigeordnete, unterstrich in ihrem Grußwort, dass aufgrund der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung und nicht zuletzt seit der Ermordung von Regierungspräsident Dr. Lübcke eine klare und eindeutige Haltung und Positionierung gegen Rechtsextremismus sowie eine Besinnung auf demokratische Werte dringend geboten sei. Sie begrüßte deshalb ausdrücklich das Projekt „Demokratie Feiern“ des Netzwerks für Toleranz, dass ab Januar 2020 durchgeführt werden soll.

Ursula Müller stellte als Koordinatorin des Netzwerks für Toleranz den Sachstand der Projektarbeit aus 2019 vor. Rund 20.000 € sind als Fördermittel an Projektnehmer und -nehmerinnen weitergeleitet worden. Schwerpunkte der Projekte waren die Bereiche „Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft“ sowie „Demokratieförderung“. Zahlreiche Workshops wurden an Schulen und mit Jugendgruppen durchgeführt. Besonders erwähnenswert ist der Workshop „Flagge zeigen für ein tolerantes und weltoffenes Waldeck-Frankenberg“, der gemeinsam mit der Künstlerin Reta Reinl durchgeführt wird. Rund 450.000 € flossen vom Bundesfamilienministerium in der ersten Förderperiode nach Waldeck-Frankenberg, der Antrag für die neue Förderrunde von 2020-2024 wurde zunächst für ein Jahr bewilligt.

Koordinatorin Ursula Müller stellt die Arbeit des Netzwerks vor

Demokratisches Handeln in unsicheren Zeiten“ war der Titel des Vortrags von Dr. Reiner Becker, dem Leiter des Hessischen Demokratiezentrums an der Universität Marburg. Er beleuchtete in seinem Vortrag die politische und gesellschaftliche Entwicklung seit 2015. Der Nationalismus sei wieder aufgekommen, als ein extremes Indiz nennt Becker den Brexit. Es verwunderte, dass es neue Rechte gibt und dass diese Ideologie eine Renaissance erlebe. Weiterhin erleben wir im Netz den Ausdruck einer massiven sprachlichen Enthemmung wobei hier eine negative Mobilisierung von Menschen erfolgt. Reiner Becker stellte aber klar, dass es eine Selbstradikalisierung wie im Kontext des Attentats von Halle nicht gebe und das Einstiegsprozesse lange dauern. Dazu beleuchtete er drei Dimensionen von Demokratie: Demokratie als Regelwerk, als immer andauernder Prozess und als Wahrung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit. Als Zerstörung der Demokratie führt Becker beispielhaft den Verlust einer Streitkultur, die zunehmende Gleichgültigkeit und die schwindende (europäische) Solidarität an.

Dr. Reiner Becker referierte über die Zukunft der Demokratie

Zum Abschluss zitierte Becker den Philosophen Oscar Negt: „Demokratie ist das einzige politische System, das gelernt werden muss, immer wieder, tagtäglich und bis ins hohe Alter!“ und machte damit deutlich, dass jeder und jede einzelne immer wieder gefragt ist, um die Demokratie zu erhalten.

Teilnehmer äußert seine Ideen zur Demokratieförderung

An Reiner Beckers Appell anschließend referierte Malte Lantzsch von dem Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus und Rassismus – für demokratische Kultur in Hessen e.V. Laut Lantzsch unter dem Titel „Rechtsextreme Strukturen in Nordhessen – wieso war der Mord an Regierungspräsident Lübcke kein Zufall“. Laut Lantzsch sei die rechtsextreme Szene sehr gut untereinander vernetzt und der Einflusskreis von einzelnen Persönlichkeiten der Szene werde unterschätzt. Die Vernetzung reiche über die Ländergrenzen hinaus und es findet sich eine starke Präsenz im digitalen Raum. Aus diesem Grund sei in den meisten Fällen von rechtsextremen Gewalttaten nicht von einem Einzeltäter oder -täterin auszugehen. Verwunderung rief nicht nur das Gedankengut, sondern auch die Sprache beim Publikum hervor, als Lantzsch die Satzungsziele von der rechten Gruppe „Artgemeinschaft“ oder „Thule-Seminar“ zitierte. In gestelzter Sprache ist dort von einer Reinhaltung der germanischen Rasse die Rede. Es sei daher wichtig, dass die Zivilbevölkerung aufmerksam bleibt und kleinste Anzeichen von rechter Symbolik und Gedanken meldet. Lantzsch schlussfolgert, dass eine Unterstützung von kommunalen Politikern und Politikerinnen durch die Bevölkerung unabdingbar ist, um rechte Gewalt einzudämmen. Außerdem sollte jeder und jede einzelne aufmerksam für rechte Äußerungen, Symbole und Gedankengut sein.

Malte Lantzsch, MBT, beschreibt Aktivitäten der rechten Szene in Nordhessen

Durch die beiden Redner zur Dringlichkeit der Demokratiewahrung aufgerufen, sammelten die Besucher und Besucherinnen der Veranstaltung Ideen, um das demokratische Miteinander zu fördern. U.a. schlug der Lehrer Matthias van der Minde eine Aktionsbündnis „Region gegen Rechts“ vor und es gibt Vorstöße Ideen zu entwickeln, die lebenslanges Demokratie Lernen für Menschen unterschiedlichen Alters, Herkunft und Gesellschaftsschicht ermöglichen.

Rege Beteiligung der Teilnehmenden

Matthias van der Minde stellt Idee für Initiative gegen Rechts vor

Im kommenden Jahr werden die Netzwerkkoordinatorinnen Ursula Müller und Violetta Bat alle Interessierten zum gemeinsamen weiterdenken einladen.